Freitag, 28. November 2014

Der Berg ruft

Es ist das Licht, für das Neuseeland so berühmt ist, die Klarheit und Intensität der Farben, die auf die absolut saubere Luft und die starke Sonneneinstrahlung zurück zu führen sind. So weit wie das Land, so weit ist auch der Himmel – stehende Wolken, die wie Hilfslinien einer Perspektivezeichnung einmütig einem Zielpunkt weit drüben am Horizont zustreben.



Die im Windschatten der neuseeländischen Alpen gelegenen Seen strahlen in intensivem Türkisgrün, einer außergewöhnlichen Farbe, die sie den fein zermahlenen Gesteinspartikeln im Gletscherschmelzwasser zu verdanken haben. Hier wartet auf uns der höchste Berg Neuseelands. „Aoraki", der "Wolkenaufspießer" nennen ihn die Maori. Heute haben auch die Kiwis an diesem Namen Gefallen gefunden und verwenden deshalb gerne den Doppelnamen „Aoraki Mount Cook“.


95 % der Gebirgsflora Neuseelands sind endemisch. So gibt es für uns hier viel Unbekanntes zu bestaunen. Am besten gefallen uns die malerischen „Kopukupukus“, die die Ehre haben, in ihrem zweiten und leichter auszusprechenden Namen „Mount Cook Lilly“ zu heißen. Ebenso weiß wie die eisige Pyramide des „Aoraki Mount Cook“ sind die Blütenköpfe dieses an Sumpfdotterblumen erinnernden Blümchens – das einzige Weiß, das der majestätische Berg heute zu dulden scheint, denn er selbst hat sich einen Mantel aus makellosem Dunkelblau geschultert.


Bei unserer Annäherung queren wir den Hooker River auf drei schwingenden Hängebrücken und erreichen mit dem Gletschersee den Endpunkt unserer Wanderung. Wir sind hier auf einer Seehöhe von 900 Metern und direkt vor uns erhebt sich der ehrfurchtsgebietende „Wolkenaufspießer“ mit seinen 3754 Metern! Über 2800 Meter eisstarrende Wände ragen vor uns auf, und ein Gletscherwind bläst uns augenblicklich die gesamte, auf der Wanderung gespeicherte Wärme aus den Knochen.


Beim Abendessen besucht uns doch tatsächlich einer der grenzenlos neugierigen Bergpapageien, ein schöner, großer Kea auf dem Dach unseres Wohnmobils. Neugierig schaut er in die hell beleuchtete Dachluke hinein und versucht mit seinem kräftigen Schnabel einen Eingang zu uns zu finden. Als er sieht, dass hier keine Schuhe herumstehen, deren Schnürsenkel man in einen Haufen Fetzen verwandeln könnte, gibt er auf und schwingt sich kreischend hoch, um im Dunkel der Nacht zu verschwinden.


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