Samstag, 25. Oktober 2014

Feuer und Wasser – im Wettstreit der Elemente

Unter der vulkanisch geprägten Landschaft der Coromandel-Halbinsel schlägt feurig das Herz unserer Erde. Davon erzählt eine der Hauptattraktionen der Region, der Hot Water Beach. Als wir hier ankommen, ist es so regnerisch und kalt, dass wir schon glauben, unser Erlebnis mit den Thermalquellen im Sandstrand könnte im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser fallen. Da wir aber doch vereinzelt Leute sehen, die, mit Spaten bewaffnet, zu einem Felsvorsprung im Strand wandern, folgen wir ihnen. Ums Eck, und wir stehen urplötzlich vor einer wie wild im Sand puddelnden Menschenmenge, die unermüdlich sich abmüht, Sitzwannen zu graben und dabei zwischen dem eiskalten Wasser des Meeres und dem brennheißen Wasser, das aus dem Sand quillt, herumhüpft. Da es bis zur Ebbe noch etwas dauert, kommt es immer wieder vor, dass das Gemeinschaftswerk vieler starker Männer von einer einzigen Welle weggeschwemmt wird. Die bereits genüsslich im heißen Pool Liegenden werden dann augenblicklich mit Eiswasser überflutet, was natürlich niemanden kalt lässt – oder vielleicht soll man hier sagen – heiß lässt. Äußerst amüsant ist es, zu beobachten, wie unterschiedlich die Leute ans Werk gehen. Es gibt hier verbissen Schuftende, verbittert Dreinschauende, hoffnungsvoll Beharrliche, sich aufopfernde Väter, die unbedingt die Wanne für die Kleinen schaffen wollen, unernste Touristen, die eigentlich froh sind, dass sie nicht ins Wasser müssen, und hämisch Grinsende, die sich darüber freuen, dass auch das Becken der anderen ein Raub der Wellen wird.




Der geologische Hintergrund zu all dem Spaß hier ist natürlich auch interessant: Am Hot Water Beach gibt es zwei Quellen mit den Namen Maori und Orua. Die nördliche hat eine Temperatur von maximal 64° C, die südliche erreicht 60° C, wobei die Wassertemperatur in nur 2 Metern Tiefe 170° C beträgt! Der heiße Untergrund ist ein vulkanischer Einschluss, der während einer Eruption vor 5 – 9 Millionen Jahren entstand. Das Blubbern an der Oberfläche ist nicht kochendes Wasser, sondern entsteht durch das Entweichen von Carbondioxidgas. 

 

Die Cathedral Cove teilt den Sandstrand einer herrlichen Bucht in zwei Teile. Sie lässt sich bei Ebbe trockenen Fußes durchschreiten, sodass man ihre bizarre Schönheit auf beiden Seiten bewundern kann.




Süd 34°25,807´- das Nordkap der etwas anderen Art!

Auf dem Cape Reinga, dem nördlichsten Punkt Neuseelands, steht ein kleiner, weißer Leuchtturm, der 165 Meter über der Colombia Bank thront. Wie das Nordkap in Norwegen, so ist auch dieser Ort ganz besonders, allerdings unter ganz anderen Vorzeichen. Hier geht der Blick nicht in Richtung Pol, der liegt in unserem Rücken. Die endlose Weite der Südsee erstreckt sich vor uns – die blaue Seite unserer Erde, auf der nur winzige Atollinselchen im Irgendwo aus dem Meer herausragen! Die geografische Breite des Kaps (siehe oben) entspricht auf der Nordhalbkugel in etwa der Lage von Rabat und Fes, was man angesichts der kühlen Kargheit der Landschaft nicht wirklich begreifen kann. Saharahitze ist an diesem Ort ganz einfach nicht vorstellbar. Unter uns prallen die Wellen der rauen Tasmansee und des Pazifik schäumend aufeinander.



In der Mythologie der Maori nimmt das Cape Reinga eine bedeutende Rolle ein, denn hier ist der Ort, an dem die Seelen der Verstorbenen aus dem Diesseits entschwinden. Ihre Reise  beginnt mit einem Rutsch an den Wurzeln eines 800 Jahre alten Pohutukawa-Baums vom Cape hinunter in den Ozean. Danach tauchen sie wieder auf und erklimmen die höchste der Three Kings Islands, um ein letztes Mal Lebwohl zu sagen, bevor sie zu ihren Vorfahren nach Hawaiki zurückkehren.



Bei den Wanderdünen Te Paki Stream

Maoritanga

„Als die Paheka (die Fremden) auf diese Insel kamen, lehrten sie die Maori als Erstes den christlichen Glauben. Sie machten einige Maori zu Pfarrern und Priestern und sagten ihnen, sie sollten gen Himmel blicken und beten. Und während sie dies taten, nahmen uns die Paheka unser Land weg“ (Mahuta, Sohn des Maorikönigs Tawhiao, bei einer Rede vor dem New Zealand Legislative Council 1903).
Die „Waitangi Treaty Grounds“ sind der Ort, an dem im Jahr 1840 Vertreter der britischen Krone und fast 50 Maorihäuptlinge den Vertrag unterzeichneten, der den Maori dauerhaft ihre Besitzrechte und die Kontrolle über ihr Land sichern sollte, wenn sie im Gegenzug ihre Hoheitsrechte abtraten. Der Vertrag gilt den Kiwis als die Gründungsurkunde des Staates Neuseeland. Die Maori aber haben heute längst den Betrug erkannt, der durch den zweisprachigen Text und dessen unterschiedliche Auslegungen möglich war. 
Das Besucherzentrum umfasst das kleine, viktorianische Landhaus, in dem die Vertragsunterzeichnung stattfand, das mit seinen 35 Metern längste Kriegskanu der Welt und das wunderschöne  Versammlungshaus der Maori.


Der unterhaltsamste Teil unseres Besuchs der Treaty Grounds ist die Cultural Performance im Versammlungshaus. Vier überaus beleibte Männer und vier Frauen, veranstalten vorerst vor dem marae, dem Versammlungshaus, ein bedrohliches Begrüßungszeremoniell. Besucher, egal ob Maori oder Pakeha, dürfen ein marae nicht einfach ohne Aufforderung betreten. Gemäß einer langen Tradition werden die sich einem marae nähernden Besucher einer rituellen Herausforderung unterzogen, um ihre Absichten festzustellen. An diesem Ritual ist ein furchterregender Krieger beteiligt, der einen Schlagstock schwingt und mit weit aufgerissenen Augen auf den Ankömmling zustürmt. Die Frauen stimmen ein Begrüßungslied an, durch das das tapu aufgehoben und das „hongi“, das zeremonielle Berühren der Nasen, eingeleitet wird, das wiederum die Besucher und Gastgeber in Geist und Körper aneinander bindet.



„Maoritanga“ ist der Begriff für die Lebensweise und Kultur der Maori. Wohl am bekanntesten ist der „haka“, der martialisch wirkende Tanz, der noch heute bei jedem Spiel der All black Rugby-Mannschaft zur Einschüchterung der Gegner aufgeführt wird. Dieser haka des gefürchteten Maori-Häuptlings Te Rauparaha ist nur einer von vielen Posentänzen, die durch Zurschaustellung körperlicher Kraft, Beweglichkeit und Entschlossenheit dem Gegner den Wind aus den Segeln nehmen sollen.



Bei den Riesen des Waldes

Die Straße windet sich in engen Kurven in den dichten Urwald des Waipoua Kauri Forest hinein. Wie eine Wand erheben sich die Bäume zu beiden Seiten, und unser 8 Meter langes Wohnmobil wirkt winzig zwischen den Farnen, die ihr gefiedertes Dach über uns ausbreiten. Unser erster Halt ist gleich bei dem größten aller Kauris Neuseelands (und da es Kauris nur hier gibt, auch weltweit). Der Tane Mahuta, der „Gott des Waldes“  ist irgendwann um die Zeitenwende, also vor mehr als 2000 Jahren im Waldboden gekeimt.


Gleich nebenan, fast „jugendlich“, die mächtigen „Four sisters“, die sich zu einem geselligen Kaffeekränzchen eingefunden zu haben scheinen. Auch wenn man ihr geschwätziges Tratschen wahrscheinlich erst wahrnimmt, wenn man sich die Zeit nimmt, sich in die Baumseelen einzufühlen, so ist es auch für uns Vorbeieilende hoch oben nicht still, den jede Baumkrone ist ein Universum für sich, bewohnt von Lebewesen, deren Vielfalt man nur erahnen kann. Das Gezwitscher und Gepiepse da oben beinhaltet jedenfalls alles, was man sich von Vogelstimmchen erwartet: da wird gestritten, verliebt geflötet und einfach nur so vor sich hin getrillert, dass es eine Freude ist.




Entlang des Pfades, der uns herein geführt hat, sind alle 10 Meter Hinweistafeln angebracht, die darauf aufmerksam machen, dass die Riesen des Waldes extrem empfindliche Wurzeln in der obersten Humusschicht des Bodens haben, und man daher keinesfalls vom Bretterweg abweichen soll. Zahlreiche Kauris sind durch herumtrampelnde Besucher so geschädigt worden, dass ihr hunderte, ja tausend Jahre währendes Leben durch Unachtsamkeit zu Ende ging. Auch das Hineintragen von fremdem Humus in den Wald bringt die neue Krankheit namens PTA (kauridieback) in das empfindliche Ökosystem. So müssen wir auch hier, so wie in allen Kauriwäldern beim Eingang die Sohlen unserer Schuhe gründlich reinigen. Bürsten und Sprühflaschen mit Wasser und Desinfektionsmittel liegen bereit.


The city of the sails - Auckland

Neuseeland – so weit weg von unserer Heimat, wie es auf unserer Erde nur möglich ist – und doch ist es fast wie nach Hause kommen. Nach unseren Wochen im exotischen Südostasien erscheint uns hier vieles vertrauter. Das erste, was wir wahrnehmen, ist der Frühling, der hier mit aller Macht über die Gärten und Parks von Auckland gezogen ist. Die Bäume stehen in voller Blüte, bekannte und unbekannte Schönheiten im Festtagskleid. In den Wiesen sprießen Krokusse und weiße Narzissen, während gleichzeitig Blauregen, Rhododendren, Orangen- und Zitronenbäume unter Palmen ihren betörenden Duft verströmen. In all dem Überschwang der Natur jubeln die unglaublichsten Vögel in den Zweigen der Bäume.



Nicht einmal eine halbe Stunde brauchen wir, um mit dem 200 Meter hohen Mount Eden den höchsten Vulkan von Auckland zu erreichen und über den grün bewachsenen Krater hinüber auf die Skyline der Metropole zu blicken. Die Stadt erstreckt sich über eine Landenge, die durch mehrere Meeresarme fast durchtrennt wird und aus 50 erloschenen Vulkanen besteht.

Hinter den Wolkenkratzern und dem Skytower, von dem sich gerade, als wir vorbei spazieren, ein Bungeejumper in die Tiefe stürzt, verbirgt sich der herausgeputzte Viaduct Harbour. Seit der erfolgreichen Verteidigung des American Cup im Jahr 2000 liegen in dem ehemals schmuddeligen Fischereihafen die vornehmsten Segeljachten, die man sich nur vorstellen kann - windschnittige Luxusgefährte mit Masten, so hoch wie mehrstöckige Häuser. In der City of sails nennt angeblich jeder vierte Bewohner ein Segelboot sein eigen und die ganze Nation fiebert mit, wenn es bei der ältesten, heute noch ausgetragenen Segelregatta der Welt darum geht, die Ehre Neuseelands zu verteidigen.

The real voyage of discovery
consists not in seeking new landscapes,
but in having new eyes.
Marcel Proust